Einmal für Alle, Alle nur einmal

Essen? Das hier?? Sieht von der Außenseite aber besser aus…deswegen lass es in der Dose…Nein, ehrlich, wir werden keine 2 Dosen essen…lass es drin…Nein…FLATSCH…ein Geräusch und ein Anblick, den ich nach einem Jahr fast schon vergessen hatte. Mit dem festen Vorsatz, es dieses Jahr nicht wieder zu tun. Aber jetzt sind sie wieder drin im Topf, die Ravioli…

Und langsam werden sie warm. Riecht gar nicht schlecht. Jetzt beginnt sich der Klumpen auch in einzelne Teile aufzulösen; sieht eigentlich ganz gut aus. Ist einfach zu machen. Und war schließlich auch echt günstig. Kann man eigentlich nix sagen. Wieso mach ich das nicht öfter? Wieso mach ich das nie zu Hause, sondern immer nur auf irgendwelchen Zeltplätzen auf irgendwelchen Festivals? Wär doch ne super Option für die Studentenküche…Aber das ist genau der Punkt, an dem ich mich jedes Jahr wiederfinde. Das ist genau der Gedankengang, den ich jedes Jahr führe…Bis zum 1. Bissen. Nein, eigentlich bis zum ca. 17. Die ersten paar sind immer gut. Aber irgendwann schlägts um und dann wirds hart…dann weis ich auch schnell wieder warum`s das nie zu Hause gibt. Dosenravioli sind einfach ein Einmal-Fertiggericht. Ein Festival-Klassiker; einen Fehler den man immer nur einmal im Jahr macht. So wie Trichter-Saufen. Dosenstechen. Bong Rauchen. Warmer Jägermeister. Das wird dann am Schluss alles abgeheftet, in derselben Schublade verstaut, bis zur nächsten Gelegenheit, im nächsten Jahr. Wenn man dann da wieder reinschaut und plötzlich denkt: Warum liegt das ganz da unten? Wieso hab ich das seitdem nicht mehr gemacht? So schlimm war`s gar nicht…
Doch. War`s. Aber das glaubt man immer erst, wenn`s dann wieder passiert ist. Und das gehört schließlich auch dazu; darum geht`s ja beim Festival: nicht alles genauso machen wie sonst, raus aus dem Alltag, weg von „Richtig“, „Korrekt“, „Gesund“, „Mmmm…lecker“ und „Wow – Tolles Parfüm!“. Und wenn`s um Ravioli geht, machen wir uns alle gerne schuldig. Jedes Jahr aufs neue. Die Zahlen lügen nicht: 40 Mio Dosen verkaufte Dosen, jedes Jahr, nur in Deutschland. Damit sind die Ravioli die unangefochtene Königin unter den Fertiggerichten; genauer unter den „Nassfertiggerichten“. Das ist die offizielle Bezeichnung. Ich finde das sollten die auch auf die Dosen als Namen drucken. „Ravioli“ klingt mir immer ein bisschen nach einer rundlichen italienischen Mama, die fröhlich tratschend mit ihren rundlichen Freundinnen in der Küche am Herd steht, wo in schweren großen Eisentöpfen die duftend frischen Kräuter in die fruchtige Tomatensoße fallen und die Teigklümpchen auf bemehlter Fläche eins nach dem anderen in liebenswerter Handarbeit entstehen. „Ravioli“ klingt nach Amore, „Ravioli“ klingt nach Liebe. „Nassfertiggericht“. Das klingt schon eher nach dem Flatscher, wenn sich der klumpige kalte Batzen aus der Dose schält und in den Topf klatscht. So kommt s dann nach dem Verdauen auch wieder raus; derselbe Flatscher. Ohne Liebe. Kam auch beim Essen nicht mit Liebe oben rein. Kam nicht mit Liebe aus dem Topf raus, kam nicht mit Liebe in den Topf rein. Kam aus der Fabrik nicht mit Liebe raus, und kam da auch nicht mit Liebe in die Dose rein.

Ich meine, als Kind gab`s die manchmal zu Hause und wenn Mama sie aufwärmt ist wenigstens ein bisschen Liebe mit dabei.
Aber hier gehts dagegen nur noch um den einzigen, alleinigen Zweck in der harten, kalten Realität: Ich bin besoffen und will was fressen; die sind geschäftig und wollen Geld verdienen. Ich leg zwischen der Palette Dosenbier eh keinen Wert mehr auf Verkostung und Geschmack; die legen Wert auf Kosten und sparen daher am Geschmack. Hier ein Kunde, da ein Produkt. Angebot und Nachfrage. Freie Marktwirtschaft in ihrer schönsten Form. Unsichtbare Hand drauf; Abgemacht.
Dose auf, warmmachen, oder auch nicht, fertig. Klasse Sache. Nach 10 Bier auf dem Festival (3 durch den Trichter). Kann es da Zufall sein das die Zahlen sich so annähern: 30 Mio Festivalbesucher in Deutschland, 40 Mio Dosen Ravioli, jedes Jahr. Anscheinend gibts da doch etliche, die den Fehler gleich mehrmals machen. Außerdem sind in der Statistik für „Festivalbesucher“ ja auch Kulturveranstaltungen aller Art enthalten. Ich weiß nicht, ob jemand beim „Internationalen Jazz-Festival“ Ravioli kocht (und wenn doch, dann hätt ich gern ein Bild davon). Oder mit dem Porsche-Schlüssel Dosen aufsticht. Bong rauchen würd ich dagegen vielleicht nicht gleich ausschließen.

Interessieren würde mich auch eine Statistik zur Menge an Ravioli, die tatsächlich verdaut werden. Nicht weil die Dinger unbekömmlich wären und Maggi Mist produzieren würde; Nein die machen nur effizient ihren Job, wie wir bereits festgestellt haben. Aber es ist schließlich Festival-Essen, und da ist nach den 10 Frühstücks-Bierchen ja nicht Schluß; so eine Palette gibt schon was her, die muss bearbeitet werden. Da kann so ein Trichter helfen…

Und es würde mich auch interessieren, wie effizient die Ravioli-Produzenten ihren Job machen. Mal ehrlich: Hat da schon mal jemand reingeschaut in die Dinger? Hat sich mal jemand die Mühe gemacht, so eins durchzuschneiden und nachgesehen was drin ist? Die schwimmen immerhin in Soße; alles was an Geschmack da ist, kommt von der Soße. Könnt also auch Pappmachè als Füllung sein. Wär auch egal. Wär dann sogar vegan. Und schmecken tuts. Einmal im Jahr.

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