Wenn Drei sich streiten, ist Sport Mord

Ja, da ist was dran: Sport hat die Macht und die ureigene Faszination uns in die Höhen und Tiefen mitzureißen, die das Leben lebenswert machen. Es ist wahrlich faszinierend, wie sich Menschen für scheinbar belanglose Spielchen um eine Kugel, einen Ball oder ein Ei begeistern, selbst wenn das Spiel am anderen Ende der Welt stattfindet und es für ihre eigene Haushaltskasse eigentlich keinen Unterschied macht, ob nun United oder Liverpool die Meisterschaft für sich gewinnt (vorausgesetzt es liegt keine alamierende Spielsucht vor – da gibt es natürlich Fälle, wo das gesamte Haus mit samt Kasse buchstäblich auf dem Spiel steht – und nicht zuletzt die Ehe…). Wahrscheinlich sind es die Grundzüge des sportlichen Wettkampfs, das Wecken der ureigenen Triebe, der wohlige Atavismus zurück zu unseren primitiven Wurzeln, durch die wir uns so lebendig fühlen. So lebendig, wie schon lange nicht mehr; so lebendig wie früher, also, ganz früher: wie die großen Affen damals im Busch, mit Keulen und Fäusten gegen Mammut, Säbelzahntiger und eben die anderen Affen vom gegnerischen Team.
So ist das bis heute, jeden verdammten Samstag. Wenn da einer von unseren haarigen Kollegen einen von den anderen über den Haufen rennt, sich den Ball schnappt und, dem kunstvoll-anmutigen Tanz der Gazelle gleich, über den Rasen stürmt, um die Kugel auf dem Höhepunkt der Ereignisse wie ein Berserker mit aller Gewalt auf einen Lattenrahmen zu dreschen – so verschafft uns das ein Synapsen-Feuerwerk wie es sonst eben leider im routinierten Alltag des üblichen bürgerlichen Lebens nur noch selten auftritt.
Am Schreibtisch im Büro, auf der Couch vor dem Fernseher, auf der einen Hälfte des Ehebetts – außerhalb des Stadions hat das Spielfeld meist so viele Linien und Regeln, dass es manchmal eigentlich fast keinen Spaß mehr macht überhaupt zu spielen.
Kein Wunder also, wenn alle Welt dem Samstag entgegen fiebert (und ja, mir fällt wohl auch auf, dass sich dieser Artikel eher an das männliche Publikum richtet. Zumindest bis hier…). Da ist es dann wieder soweit und es treffen sich zwei Kontrahenten stellvertretend im Sand / auf dem Rasen der Arena: Ave Caesar, morituri te salutant!
Wenn dann allerdings der Münzwurf über Sieg oder Niederlage, Tod oder Triumph, Eigenheimbesitzer oder Scheidungsanwalt entscheidet, so ist das natürlich ein bitteres Los. Daher strebt im modernen Sport ja auch alles danach möglichst nichts dem Zufall und der bloßen Statistik zu überlassen. Und die Anzahl der teilnehmenden Gegner am Spiel zu beschränken. Denn: Wundert sich eigentlich niemand außer mir, dass es keine (mir zu diesem Zeitpunkt bekannte) Sportart gibt, bei der mehr als 2 gegnerische Parteien gleichzeitig am Spiel beteiligt sind? Nun, die Antwort liegt vielleicht darin, dass das mit der Wahrscheinlichkeit nämlich eine vertrackte Sache ist. Erst recht, wenn mehr als 2 Kontrahenten auf dem Spielfeld auflaufen. Dann wird es kompliziert, verrückt, abstrus.
Ich darf im Folgenden zur Illustration dieses Punktes das berühmte Beispiel des „Triells“ erläutern, in leicht angepasster und ausgeschmückter Form, um der Leserschaft vor Augen zu führen, wie verrückt es werden kann. Bei einem „Triell“ handelt es sich um eine Form des klassischen Duells, bei dem sich 3 Widersacher anstatt der üblichen 2 gegenüberstehen. Das Szenario sei folgendes:

Drei englische Herrschaften verschiedensten Standes befinden sich im Streit darum, welcher Verein der englischen Premier-League der Ruhmvollste ist. Darüber hinaus befinden sich die Herren außerdem im Disput über die Frage, wer die derzeit heißeste Braut im Kreise ihrer geliebten Royals sei.  Da es hier um Angelegenheiten der gefolgsmännischen Ehre geht, einigen sie sich darauf, die Sache im Sinne des alten Kodex auf dem Felde der Ehre mit Pistolen zu regeln. Es treten an:

  • Frankie White, Hilfsarbeiter aus Manchester-Moss Side, verteidigt die Ehre von HRH Herzogin Catherine „Kate“ Middleton („the hottest english ride since the steam engine“) und des Manchester United F.C.
  • Thomas Greykirk, Polizist aus dem Londoner Vorort Hampstead Garden, hält als loyaler Staatsdiener seiner Königin („a flower of England never withers“) und dem FC Arsenal London die Treue
  • Sir Charles Francis Blackmoore, Landbesitzer aus der Grafschaft Kent, favorisiert Prince Charles („What a fine and honorable man. Especially in a uniform“) und die Männer des Crystal Palace F.C.

Nun könnten diese drei Kontrahenten in ihrem Streben nach Satisfaktion unterschiedlicher nicht sein. Besonders in ihren Fähigkeiten im Umgang mit der Waffe:

  • White kam zwar durchaus während seiner durchlebten Jugendzeit bereits mit Schusswaffen in Kontakt, ist aber eigentlich ein Fan von Schlag- und Hiebgerät. Er ist daher der schlechteste Schütze, mit einer Trefferwahrscheinlichkeit von 1/3.
  • Durch sein Training als Angehöriger der örtlichen Polizeieinheit ist Mr. Greykirk sehr wohl geschult in der Handhabung einer Pistole; allerdings ist der Dienst in einem Londoner Vorort gewöhnlich eher ruhig und seine Fähigkeiten in dieser Disziplin waren seit der Grundausbildung wenig gefordert. Er ist daher ein moderater Schütze und trifft bei 2 von 3 Schüssen.
  • Sir Charles Francis Blackmoore dagegen ist es als Angehöriger des Adelstands gewohnt, beim regelmäßigen jour fixe auf der Fuchsjagd mit antiken Kalibern auf kleine, sich schnell bewegende Ziele zu schießen. Er ist daher ein ausgezeichneter Schütze und trifft immer.

Die Triellanten nehmen also auf dem Felde Stellung. Es wird abwechselnd der Reihe nach geschossen. Den Regeln der Ehre folgend, gestatten die Gentleman Mr. White den ersten Schuss; dann folgt Mr. Greykirk und als letzter Sir C.F. Blackmoore, da er der beste Schütze ist.

Soweit so gut. Doch nun tritt besagte Wahrscheinlichkeit auf den Plan und sorgt dafür, dass der Underdog in diesem Wettstreit auf einmal die besten Chancen hat. Unter diesen Voraussetzungen sind es nämlich tatsächlich Mr. White und Herzogin Kate/Manchester United, die hier die beste Quote für einen Sieg haben (mit einer Wahrscheinlichkeit von 39 %). Allerdings nur mit einer besonderen Taktik: Mr. White zielt bei seinem Versuch zu Beginn gar nicht auf einen der beiden Gegner, sondern setzt seinen ersten Schuss absichtlich ins Grau-Blau des englischen Nachmittagshimmel.
Ja, verrückt. Aber bei näherer Betrachtung absolut einleuchtend, folgt man dem logischen Ablauf (im für Mr. White bestmöglichen Szenario):
Da der erste Schuss daneben geht, ist Mr. Greykirk als nächstes dran. Da er in Sir Blackmoore verständlicherweise den gefährlicheren Wettstreiter sieht, wird er seinen Schuss auf diesen abgeben. Sollte er treffen, verbleiben nur er und Mr. White. Und dieser hat im nächsten Zug die Gelegenheit, das Triell (das nun zum Duell geworden ist) für sich zu entscheiden, ohne dass ein einziges Mal überhaupt auf ihn geschossen wurde.

Da wundert es doch, dass es in der Geschichte immer nur zu Duellen aber nie zu einem Triell kam. Denn rein statistisch wäre es eine gute Taktik gewesen, sich einfach spontan anzuschließen, wenn zwei vornehme Herren im Streit um eine Hofmietze zu den Pistolen griffen. Selbst für den Fall, dass man vorher eigentlich unbeteiligt war und ein miserabler Schütze ist. So eine Gelegenheit für ein Stelldichein mit einer Adeligen bietet sich nur selten; die Chancen bei der Dame auf konventionellem Wege zu landen standen vermutlich schlechter.

Allerdings handelt es sich dabei eben auch nur um statistische Wahrscheinlichkeiten die lediglich unter engen Bedingungen gelten. Es könnte genauso gut passieren, dass der Ehrenwerte Sir Blackmoore seine beiden Gegenüber nacheinander wegputzt wie die Füchse beim Sonntagsritt.

Demnach ist es also nach gesundem Menschenverstand immer noch am vernünftigsten sich rauszuhalten, wenn zwei sich streiten. Lieber nichts dem Zufall zu überlassen und von außen zuschauen. Zusammen mit den Jungs an einem sonnigen Samstagnachmittag. Mit Bier und Würstchen. Und froh sein, dass sich heute keiner mehr auf Leben und Tod duelliert, sondern wir alle eigentlich einen ganz angenehmen Lebensalltag haben, der uns durch Sport dennoch unsere wunderbaren Hochgefühle und Urschreie beschert.

Eines der letzten offiziell verbürgten Duelle fand übrigens am 17.10.1971 statt, als sich Danilo Sena, der damalige amtierende Innenminister Uruguays mit dem ehemaligen Industrieminister Enrique Erro ein Pistolenduell lieferte.
Aber der 17.10.1971 war eben auch ein Sonntag. Und das ist halt nun mal ein Spieltag.

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