Netflix & Chill

Wir kennen es doch alle nur zu gut: sobald wir auch nur die kleinste Chance bzw. Aussicht auf etwas Freizeit haben (ob nach der Uni, nach der Arbeit oder einfach an einem entspannten Sonntag), überlegen wir uns im jetzigen Jahrzehnt doch eigentlich nur noch welche Serie oder welchen Film wir uns denn heute „reinziehen“ könnten.
Klar: Streaming – Dienste wie Netflix & Co sind ja auch eine wahnsinns „Erfindung“! Eine Erfindung, von der frühere Generationen wahrscheinlich nicht einmal zu träumen gewagt hätten. Wir können beinahe auf jeden Film & jede Serie wann immer und wo immer wir wollen zugreifen. Entweder auf dem legalen Weg mit Streaming Diensten wie Netflix, Amazon Prime & Co. oder aber auf dem Weg durch die Grauzone mithilfe von Seiten wie kinox.to und moviepilot. Wie gesagt eine super Sache! Aber für mich persönlich verbirgt sich hinter alldem auch eine kleine Gefahr. Die Gefahr viel zu viel Zeit an die Vorstellung von Erlebnissen zu verschwenden statt diese selbst in der Realität zu erleben.

Tatsächlich erwische mich in letzter Zeit immer öfter dabei. Sobald ich etwas Freizeit habe erscheint Netflix (und meine Lieblingsserie, die mich in eine Art Strudel zieht) die beste Möglichkeit um mal etwas abzuschalten, auf andere Gedanken zu kommen und zu „chillen“. Bereits in der Vorlesung verschwende ich zahlreiche Gedanken daran, welche Serie ich denn heute anfangen könnte. „House of Cards“, „Breaking Bad“, „Shameless“ oder doch endlich mal „Game of Thrones“? Die Liste wächst unaufhaltsam um zahlreiche weitere Serien, die ich unbedingt noch sehen „muss“. Serien mit jeweils 6 Staffeln a 15 Folgen a 40 Minuten.
Shi*!
Ich überlege kurz wie viel Lebenszeit das in etwa ergibt und was ich mit dieser wertvollen Zeit wohl sonst noch anstellen oder erreichen könnte, schiebe diesen Gedanken jedoch schnell wieder von mir weg um genüsslich auf „play“ zu drücken. Darauf habe ich mich schließlich den ganzen Tag gefreut! Aber bedeutet das nicht eigentlich, dass das das Highlight meines Tages darstellt ? Wieder schiebe ich die Gedanken weg und kuschel mich mit Jogginghose, Tee und Unizeug neben mir liegend (fürs gute Gewissen) ins Bett, um meiner Sucht, wie man es mittlerweile schon teilweise nennen könnte, zu fröhnen. Lieber mal sehen wo und mit welchem Hangover & Problemchen Frank Gallagher heute so aufwacht! Shameless wird’s auf jeden Fall.

Am meisten erschreckt mich jedoch die Tatsache, dass Netflix mittlerweile zu einer meiner Lieblingsbeschäftigungen am Abend geworden ist, und ich denke da bin ich nicht die Einzigste. Tatsächlich eriwsche ich mich ab und zu sogar dabei, lieber alleine zuhause zu bleiben und einen „Netflix & Chill“ Abend mit mir selbst zu veranstalten, statt in der wirklichen, großen weiten Welt und somit der Realität etwas zu unternehmen und zu erleben. Wenn mich also meine Kommilitonen, WG-Mitbewohner oder Freundinnen fragen ob ich heute abend mit Ihnen weggehen möchte und ich das Gefühl habe, dass es nicht die richtigen Leute, die richtige Bar oder einfach nicht der richtige Abend dafür ist, lasse ich  mir schnell eine Ausrede a la „ Nee du sorry, ich kann heute nicht, muss echt noch einiges für die Uni erledigen!“ einfallen und hoffe insgeheim nur, dass ich damit fein raus bin. In Gedanken male ich mir währenddessen schon einmal aus, was ich mir Leckeres zuhause koche, welchen Film ich mir am besten reinziehe und welchen Snack ich mir nach dem Essen noch dazu gönne. Gott wird das ein guter Abend!

Zuhause angekommen, geht’s dann gleich ans kochen und Laptop hochfahren. Da ich am nächsten Tag erst ab 12 Uni habe, habe ich den ganzen Abend zur freien Verfügung und bin in der Anzahl der Folgen so gut wie gar nicht begrenzt. Während ich mir dann aber Geschichten von Leuten in meinem Alter ansehe, die gerade den Abend und die Party ihres Lebens haben, neue Freunde oder sogar ihren Traummann/ Traumfrau kennen lernen, ist alles woran ich denk doch eigentlich nur: „Verdammt, das will ich auch!“. Statt aber einem Abend die Chance zu geben, genau das zu werden, was ich mir erhoffe, liege ich alleine hier in meinem Onesie um 9 Uhr abends im Bett, mit einer Tasse Tee und größer werdendem Selbstmitleid. Ganz nebenbei bekomme ich dann die Partybilder meiner Komilitonen und Freunde geschickt, die gerade möglicheriweise die Nacht ihres Lebens erleben. Wie absurd das Ganze eigentlich ist, wird mir heute tatsächlich zum Ersten Mal klar.

Natürlich, manchmal schleppt man sich natürlich auch völlig umsonst in Clubs und fragt sich den ganzen Abend bloß, wie man heute hier gelandet ist. Es ist super laut, man wird nur herum geschubst und obendrein auch noch von oben bis unten mit sätmlichen Getränken, die auf der Karte stehen, voll geschüttet.

Aber dann gibt es eben auch diese Abende, bei denen man absolut keine Lust hat wegzugehen und genau dann wenn man nicht damit rechnet, entwickeln sie sich zu den besten und bedeutendsten unseres Lebens. Zu genau diesen „Das will ich auch – Abenden“. Spontane Sachen sind ja bekanntlich auch die Besten!

 

Klar tun diese ruhigen Abende, in denen man einfach nur zuhause eine Folge nach der anderen streamt oder endlich einen Film ansieht, der schon lange auf der Liste steht ab und zu einfach mal gut. Und auch ich werde mir weiterhin genau solche Abende gönnen, weil sie einfach gut tun um abzuschalten und runter zu kommen. Allerdings werde ich mir von jetzt an genau überlegen wann ich mir diese Abende gönne. Wenn auch nur der Hauch einer winzigen Chance auf einen unvegesslichen Abend oder auch nur auf ein paar aufregende, witzige und lebenswerte Momente besteht ergreife ich sie. Schließlich will ich mir nicht wieder vorwerfen müssen, dass ich solche Momente lieber passiv gesehen habe statt sie selber aktiv mitzuerleben. Und meinen Kindern will ich schließlich auch selber ein paar Geschichten erzählen können und dieses nicht komplett Ted Mosby überlassen. Und dazu muss ich ja auch erstmal jemanden kennen lernen. Also steht meine Abendsplanung heute ohne große Überlegung fest: „Ja! Ich bin dabei“ sagen und mit meinen Komilitonen, WG-Mitbewohnern oder Freunden den Abend meines Lebens erleben! What would you do ? GO.

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