Neuer Blick auf altes Feld

Mir wurden in letzter Zeit immer mal wieder die Augen geöffnet.

Das Witzige dabei ist aber, dass es sich nicht um klassische, neue Eingebungen handelte. Sondern vielmehr um Dinge, von denen ich mir eigentlich schon meine Meinung gebildet hatte. Felder, in denen sich nicht die Materie, sondern nur mein Blickwinkel geändert hat.

Da war diese Unterhaltung mit einem Kumpel in einer Bar neulich. Wir kamen über einem Bier auf Wrestling als Thema, das ich als Teenager eine Zeit lang regelmäßig verfolgt habe. Peinlich ist mir das heute nicht mehr wirklich. Für mich lag eine Faszination in den epischen Duellen und spektakulären Fights.

Bei dem ersten Match, in das ich stolperte, beförderte Jeff Hardy die drei Dudley Brüder durch ebenso viele Tische mit einem einzigen Sprung. Verurteilt mich, aber nicht den Vierzehnjährigen, der auf sowas abgeht wie Schmidt’s Katze. Ich war drin im WWE Universe.

Aber das ging auch recht schnell wieder vorbei. Doch was mein Freund Johnny da in der Bar sagte, ließ mich kurz wieder eintauchen: Er erklärte mir, warum Shane McMahon ein großartiger Wrestler für ihn ist. Und da wurde ich stutzig: Denn Shane McMahon hat kaum bedeutende Matches gewonnen und ist mehr Sandsack als Superstar.

Und genau hier liegt der Punkt: Für Johnny war das alles egal, bestenfalls zweitrangig. Er fachsimpelte mir vor, wie grandios die Stunts von diesem Shane McMahon waren, wie überzeugend er den Undertaker hatte stark aussehen lassen und wie choreographisch wertvoll er sich in den Seilen des Rings und in den Wendungen der Fehden mit seinen Kontrahenten bewegt.

Für mich war der Typ eine Pfeife. Natürlich hatte auch ich seit meiner WWE-Tage die so bittere wie notwendige Erkenntnis gemacht, dass das alles nur gefälscht ist. Nach Osterhase und Weihnachtsmann. Aber darum ging es Johnny nicht. Er blieb dabei, weil es so GUT gefälscht ist und zollt einem augenscheinlichen Meisterfälscher Respekt.

Unter diesem Aspekt könnte ich der Sache tatsächlich auch wieder was abgewinnen vielleicht. Wenn ich lese, wie kritische Journalisten Storylines analysieren und  sich aufregen, warum hier „ein Monster-Momentum“ so grundlos und leichtfertig zerstört wurde. Weg von der blanken Emotion und hin zum artistisch wertvollen Beitrag?

Wenn man es mehr als Kunstform sieht und als großes Theater anstatt Volksverarsche. Wenn man sich fragt: Gab es denn einfach mal jemanden, der die Anweisungen missachtet und einfach sein Ding gemacht hat vor laufenden Kameras? Und dann bei Google ein aktuelles Beispiel findet von zwei Bösewichten, die sich trotz Absprache nicht noch weiter zum Affen machen wollten?

Schon interessant so ein neuer Blickwinkel.

Aber wenn man dann liest, dass es dabei um „allgemeine kreative Differenzen“ zwischen den Hau-drauf Brüdern geht, komme ich mir schon wieder halb verarscht vor. Ganz behutsam wieder auf den Holzweg geführt. Nein, ich bin fertig mit Wrestling. Aus gutem Grund.

Bei einem Klassentreffen vor zwei Jahren hab ich mit einem Kollegen am Feuer gesessen und mich über unserem Plausch gefragt: Warum hab ich mit dem Typen nie wieder was gemacht?

Zehn Minuten später dachte ich mir: Wow, der Typ geht mir richtig auf den Sender.

So ein neuer Blickwinkel hilft also immer wieder. Auch wenn man nur bestätigt wird in etwas, das man ohnehin schon wusste. Win-Win also, wenn ihr mich fragt.

Und es war ein gutes Bier. Prost Johnny!

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