Der vergessene Sinn

Ja der Reiz der Schatzsuche scheint tatsächlich tief in uns verwurzelt zu sein. Das Jagdfieber – sei es nun nach klassischer Art nach Wild oder eben nach einem goldenen Hasen oder sonst irgendwas – lodert noch immer in unserer DNA. Siehe Geocaching oder Pokemon Go. Wir werden wohl nie genug kriegen von diesem Steinzeit-Kick, der unsere Sinne nach wie vor genauso betört wie damals.

Hierzu einmal eine kurze Umfrage per Handzeichen bitte: Wer kennt das Wort „olfaktorisch“? Na, schafft’s wer ohne Google?

Wenn nicht, müsst ihr euch nicht grämen, denn ihr gehört damit einer breiten Mehrheit an. Denn so selten wie dieses Wort in der öffentlichen Wahrnehmung auftaucht, so vernachlässigt wird dessen Bedeutung auch in der menschlichen Wahrnehmung: Olfaktorisch bezieht sich nämlich auf den Geruchssinn. Und wir scheinen dessen immense Relevanz vergessen zu haben.

Seit ich selbst durch die beliebte „Wort der Woche“-Rubrik meiner Squashgruppe darüber gestolpert bin, ist mir Folgendes aufgefallen: Es ist absolut verblüffend wie wenig Beachtung Gerüchen in unserer heutigen Welt geschenkt wird.

Nach meinem Empfinden wird die Nase als Sinnesorgan einfach gerne vergessen. Zu fein ist dieser Reiz der Umwelt meistens, zu verborgen seine Natur, zu leise sein Signal. Es scheint, dass sich seine Boten uns nicht so leicht erschließen wie seh-, hör- oder spürbare Eindrücke und wir ihn deshalb einfach übergehen.

Und doch steht er an Bedeutung seinen auffälligeren Brüdern in nichts nach und ist allgegenwärtig. Nur eben weniger aufdringlich und offensichtlich. Daher mein Appell an euch: Achtet einfach mal mehr auf Gerüche. Ihr werdet staunen, wie stark diese auf uns wirken.

Warum schmecken so viele Gerichte besser warm? Warum schmecken sie anders wenn wir erkältet sind? Kennt ihr das Gefühl, wenn plötzlich ohne offensichtlichen Grund eine Kindheitserinnerung extrem stark vor dem inneren Auge auftaucht? Der Grund sind Gerüche.

 

Und wenn ich etwas mehr darauf achte, fühle ich mich so zurückversetzt in unser Ferienhaus, wenn ich Kiefernnadeln rieche. Allgegenwärtig und permanent steuern diese Einflüsse unsere Um- und Innenwelt und damit unser Verhalten. Immer der Nase nach!

Schenkt ihnen also angemessen eure Aufmerksamkeit und ihr werdet merken, dass ihre Wirkung genauso stark und voller Potential ist.

Obwohl er aber mindestens gleichberechtigt ist, behandeln wir ihn nicht so. Wir reden nur selten über Gerüche in unseren Geschichten, wir vernachlässigen sie in unseren Häusern und beurteilen unsere direkte Umwelt immer erst nach Augenschein, Geräuschen oder anderen, stärker spürbaren Aspekten.

Ich glaube, das zentrale Problem der nasalen Fraktion liegt in der Vergänglichkeit des Reizes. Die Stimulationen der Geruchswelt sind einfach schwerer zu konservieren und deshalb tritt seine wahrgenommene Bedeutung in den Hintergrund im Laufe der Zeit.

Hier schlagen ihm Augen und Ohren beispielsweise gekonnt ein Schnippchen: Denn hier wurden elegante Lösungen entwickelt, um den Sinneseindruck jederzeit zu reproduzieren. Video- und Audioaufnahmen in all ihrer Pracht machen es möglich, die Stimulationen beliebig oft zu fühlen.

Ob es jemals eine Gleichberechtigung der Sinne hier geben wird? Fernseher oder gar Kinosäle mit Geruchsspendern? Weitläufigere Konservierungen von alltäglichen Gerüchen (wenn auch bitte mit einer „Grenouille-Bremse“!) ? Unklar.

Verdient hätte er es, der liebe Geruchsinn. Ich wollte einfach nur mal eure Augen und Ohren drauf richten. Und noch was, ihr wisst schon was.

Jetzt wird’s Zeit für’s  Mittagessen hier auf meiner Terrasse: Ich rieche Bacon.

q.e.d.

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