Gez. Asbach, Hancock, Heinz, Picasso

Einen Tag Stille. Das ist interessant. Vor allem das „ohne Elektrizität“, und das Radio / Fernsehen nichts senden. Das wird dann wohl bedeuten, dass auch Smartphone & Laptop an dem Tag ruhen. Und wahrlich, wie viel Zeit verschwenden wir an diesen beiden Geräten tagtäglich? Wie viele Sekunden, Minuten, Stunden unseres Lebens rinnen ungenutzt und ohne Tiefe dahin? Und wie viele unzählige Blog-Artikel gibt es schon zu dem Thema?
Die könnt ihr woanders lesen. Die Idee & Inspiration zu diesem Artikel kommt nämlich von anderswo. Und zwar von einer Flasche Ketchup, sowie einiger ausgewählter Spirituosen-Flaschen. Aber das hat trotzdem mit Laptop, Smartphone & Co zu tun. Wie das?
Nun, dann ignoriert mal kurz die Blog-Artikel-Ratschläge von woanders, gönnt euch 5 Minuten mehr Zeit vor dem Laptop / Smartphone und lest weiter…

Unlängst trug es sich nämlich zu, sintemal ich unseren Gewürzschrank öffnete, mein Aug‘ auf eine Flasche Worcester-Würzsauce der Firma Heinz fiel. Es geht also hier nicht wirklich um Ketchup. Ehrlich gesagt, wüsste ich in diesem Moment nicht einmal, wie Worcester-Sauce eigentlich schmeckt, darum geht’s auch nicht um die Würzsauce in der Flasche. Es geht ebenso wenig um die Flasche an sich, ihre Farbe oder ihre Form. Es geht um das Etikett. Genauer was sich darauf findet. Da prangt nämlich die Unterschrift des Firmengründers H. J. Heinz.
Als ich die gesehen habe, kam mir unweigerlich eine Frage in den Kopf, die mich schon länger beschäftigt: Hatten früher eigentlich alle eine geile Unterschrift?? Aufgefallen ist mir dieser Umstand schon des Öfteren (an diesem Punkt kommen nun die erwähnten Spirituosen-Flaschen ins Spiel). Bei vielen geschichtsträchtigen Traditionsprodukten, Unternehmen finden sich oftmals die Unterschriften der Gründer und Menschen hinter dem Produkt auf der Verpackung oder im Logo. Das Asbach-Logo, zum Beispiel, kann sich wirklich sehen lassen, da hier neben der Unterschrift noch der kunstvoll-kalligraphisch-gestaltete Schriftzug hervor tritt.
Ich würde im Leben nicht auf die Idee kommen, dass meine Unterschrift eine schöne Verzierung für ein Produktetikett wäre. Um meine Unterschrift in ihrer derzeitigen Form auf einem Produkt mit Einwilligung des Herstellers aufzubringen, müsste schon ein rechtlicher Zwang her, zum Beispiel wenn ich bei irgendeiner Prüfgesellschaft angestellt wäre und der Produktfabrikant wüsste, dass er das Fabrikat nur verkaufen darf wenn s einer geprüft und unterschrieben hat. Selbst wenn das nicht der Prüfer mit der Bestnote für Schrift sein sollte.
Ich frage mich ja schon oft, ob mein Gekrakel beim Paketboten überhaupt vor Gericht rechtlich bindend wäre. Ob es da nicht besser wäre, wenn ich einfach wie in den ganzen Piratenfilmen drei Kreuze machen sollte. Und ob der Paketbote da überhaupt was sagen würde.
Damals, in der guten alten Zeit des Handschriftlichen, war das wohl anders. Dazu schaue man sich nur einmal die Unterschriften von Benjamin Franklin, Kurt Vonnegut, John Hancock, Pablo Picasso, Hugo Asbach oder eben des ehrenwerten H.J. Heinz an. Ich weiß nicht, ob diese Herren jemals zuvor zusammen in einem Satz genannt wurden und ob sie sonst noch Gemeinsamkeiten verbinden, aber was sie auf jeden Fall eint ist eine kunstvolle, ausdrucksstarke Signatur. In diesem Punkt kann es der Ketchup-König durchaus mit dem Vater des Kubismus aufnehmen.
Dabei frage ich mich auch, ob die Herren diese kleinen Kunstwerke wirklich einfach so aus dem Handgelenk schütteln bzw. hinrauschen konnten oder ob es doch bei jedem Male etwas Zeit und Übung bedurfte. Womöglich hatten manche gar Hilfestellung von Grafikern und Designern ihrer Firma? Schließlich ging es um das marketing-technisch wichtige äußere Erscheinungsbild ihres Produkts. Oder ihres Werks. Oder ihrer Persönlichkeit.
Das ist die Unterschrift letzten Endes: ein Ausdruck des eigenen Charakters, ein Zeugnis der eigenen Person. Ich wäre zwar vorsichtig damit, lediglich ausgehend von der Unterschrift ein detailreiches Bild des Charakters einer bestimmten Person abzuleiten, aber interessant sind solche Analysen allemal. Außerdem weiß ich, dass Spezialisten in der Lage sind, an Hand des Schriftbildes und von Schriftvergleichen zu bestimmen, ob eine bestimmte Person ein fragwürdiges Schriftstück verfasst hat. Diese Verfahren haben immerhin Gültigkeit als Beweismittel vor Gericht.
Und schaut man sich die Handschrift einer Person an, so wird einem sofort klar, dass es sich dabei um etwas Einzigartiges, etwas Besonderes handelt und dies gleichwohl ein Ausdruck des Wesens ist: schwungvolle Linien, zackige Konturen, abkürzende Ausläufer, filigrane Bögen, individuelle Häkchen. Egal ob die Handschrift nun kunstvoller Kalligraphie oder eher einem Seismographen-Ausdruck gleicht, sie ist einzigartig und fest mit ihrem Meister verbunden. Sicher verrät sie daher etwas über diesen selbst und sein Leben. Wenn ich mir meine alten Schulhefte aus der 4. Klasse ansehe, erinnert mich das daran wie ich es damals mit der Ordnung und der Sauberkeit nicht so genau nahm. Und unser damaliger Lehrer ebensowenig. Beim Anblick der Schreibzeugnisse aus der Schulzeit meiner Oma dagegen erkennt man schnell, dass das zu ihrer Zeit anders war. Und den deutlichen Einfluss der Prügelstrafe.
Das Schriftbild ist so auch ein Ausdruck der Zeit, der Umstände. Ich habe noch handschriftliche Notizen, Zettel, Briefe denen man ansieht, wie glücklich, konzentriert oder aufgeregt ich im Moment des Schreibens war. An denen man sehen kann, wie die Zeit vergangen ist. Denn das Schriftbild ändert sich im Laufe eines Lebens. Es zeigt einen kleinen Einblick in dein Inneres, wer du bist, wer du warst, wer du gerne sein würdest. Es ist ein Teil von dir, den du nach Außen trägst, eine Präsentation, eine Kommunikation, eine kleine Kunst des Alltags.
Aber leider eine Kunst die ich immer weniger sehe. Beim Schreiben von Nachrichten in WhatsApp, E-Mails im Standard-Textformat oder Blog-Artikel-Entwürfen in Calibri, ist all das nicht mehr erkennbar. Eine ganze Ausdrucks-Ebene fällt weg. Ich kann hier keine Wörter verzieren, kein Herzchen übers „i“ malen. Oder HerzchEN übers „ü“. Niemand kann sehen, wie rasend schnell ich diesen Satz getippt habe. Und wie eeelend langsam ich diesen tippte.
Natürlich weiß ich, dass man ja verschiedene Schriftarten verwenden kann. Und dass es ja bei WhatsApp all die lustigen „Emojis“ gibt. Aber das ist bei Weitem nicht dasselbe. Diese „Emojis“ und Schriftarten benutzen Millionen, Milliarden anderer Menschen auch. Und sie sehen überall und immer gleich aus. Es ist wie ein Baukasten, der für alle einheitlich ist. Mit dem sich alle Präsentieren. In etwa so, als würden wir alle den gleichen Kleiderschrank benutzen, um uns anzuziehen und uns der Welt zu zeigen. Und wer freut sich schon, wenn er auf einer Party einem zweiten Trottel begegnet der den gleichen H&M-Pullover trägt?
Egal wie viele abertausend Emojis und Schriftarten es daher in ferner Zukunft mal geben wird, es wird nie dasselbe sein. Denn ich habe keinen dieser Emojis selbst entworfen. Für keinen dieser Emojis habe ich stundenlang die Handbewegungen geübt. Keiner dieser Emojis hat mich mein Leben lang begleitet, keiner dieser Emojis kann zeigen, wer ich wirklich bin.
Neulich habe ich seit langem wieder einmal einen handschriftlichen Brief bekommen. Ein richtiges kleines Kunstwerk. Davon will ich wieder mehr in meinem Leben haben. Ich will wieder mehr schreiben, wieder mehr von meiner Handschrift sehen. Und zeigen. Kalligraphie lernen. Ein Buch über Graphologie lesen. Und mir eine geile Unterschrift zulegen. Sowas kann man nämlich üben. Und verbessern. Es ist schließlich ein Teil von mir.

Die Moral hinter diesem Artikel lautet also: schreibt wieder mehr Briefe. Schreibt wieder mehr von Hand. Und übt an eurer eigenen schicken Unterschrift. Zum Beispiel am Tag der Stille. Oder am World Letter Writing Day. Oder am National Handwriting Day. Oder einfach mal so, an einem Mittwoch, mit einer kleinen Notiz für euren Schatz am Kühlschrank.
Und kauft das teure Ketchup und den guten Schnaps. Das bringt euch auf Ideen. Mir hat eine Flasche Weinbrand Inspiration für einen ganzen Artikel geliefert, den ich um 2 Uhr nachts geschrieben habe. Jetzt fühl ich mich schon ein bisschen wie ein richtiger Schriftsteller. Allerdings war`s auch nur das Flaschen-Etikett. Das wär Jack London oder Hemmingway egal gewesen. Ich bin also noch stocknüchtern. Außerdem hatte ich in der Grundschule in „Schrift“ immer eine 4. Es gibt daher noch viel zu üben. Da hilft vielleicht ein Gläschen für eine ruhige Hand…

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