Humor im Profil

Spätestens seit dem letzten Artikel ist also hinreichend bekannt, dass Erinnerungen einen Drang zur Verschönerung und Verschleierung haben. Hierbei hat mich schon immer fasziniert, welche besondere Eigendynamik Bilder in diesem Zusammenhang entwickeln können. Denn hier wird ja deckungsgleich ein Moment festgehalten und aufbewahrt für spätere Zeiten. Aber auch hier lohnt ein zweiter Blick, denn der Schein kann trügen…

Ich bin jetzt auf Instagram. Nach längerem Zögern. Denn ich hatte ein bisschen Angst. Angst, erschlagen zu werden von der visuellen Datenwucht. Und zu was? Zu Recht: Nach ein paar Stunden mit Datenwut und Bilderflut hatte ich freitagabends um zehn einen saftigen Social Media Overload. Ich war dauerhaft am Handy, ein echtes Vollzeit-Hobby! Geht das jetzt die ganze Zeit so weiter?
Und geht er jetzt ins Bashing über? Zweimal nein.

Denn der Sturm hat sich gelegt und die riesige Nachfrage ist absolut verständlich: Wir können uns hier als buchstäbliche Erscheinungen und bessere Persönlichkeiten darstellen, als wir eigentlich sind. Wir sammeln Gipfel unserer Wochen und Monate und präsentieren sie lässig als Durchschnitt. Spielerisch und mit einem simplen Klick machen wir uns größer, als wir sind.

Das hat freilich externe Effekte: Der spektakuläre Ausblick auf die Leben der Mitmenschen kann Druck ausüben und extrem einschüchtern. Wer zu lange auf den Monitor starrt, wird hypnotisiert und paralysiert. Denn die Macht der Bilder liegt darin, dass man schauen und schauen und schauen kann, ohne dass sich etwas verändert. Was logischerweise dazu führt, dass wir auf Gedankenreisen gehen, wo wir als Ausgangspunkt lediglich ein atemberaubenden Schnappschuss haben: Sieht sie IMMER so aus? Wie glücklich er ist! Macht sie NUR sowas? Was machen die 400-Like starken Hometown-Celebrities an dem Sonntag nach der Party?

Es ist natürlich ein Trick. Und auf dem doppelten Boden der Photobox liegt die Frage: Bin ICH langweilig? Die Antwort: Nur, wenn du es für voll nimmst. Und glaubst es ist immer so, wie es scheint. Und den Menschen hinter dem Profil vergisst. Meine Lösung nach der kurzen Schocktherapie: Nicht verkrampfen, nicht rein steigern und gesunde Distanz und Humor wahren.

Man muss sich lediglich vergewissern, dass die Wahrheit zwischen den Zeilen liegt: Der schöne Schein ist kein Dauerzustand. Supermodels gehen nach dem Catwalk nicht auf den Dancefloor sondern auf den Donnerbalken. DAS – und vielleicht noch andere Ausscheidungen – liegt zwischen der ausschweifenden Partynacht und dem opulenten Brunch am nächsten Morgen (der natürlich wieder für die Allgemeinheit taugt). Es sind Perlenketten, die wir mit Social Media knüpfen und uns stolz umhängen. Aber es ist nicht mehr als ein guter Teil, eine Schokoladenseite von uns.

Ein schöner Ort also, dieses Instagram… eine schöne heile, Welt. Und das gibt es ja nicht oft, schon gar nicht im Internet. Somit grundsätzlich eine tolle Sache, ich bin für’s Erste an Bord. Denn ich sehe nichts als schöne Bilder auf Instagram: Glückliche, erfolgreiche, aktive, stolze Menschen. Und diese Menschen sind meine Freunde. Nicht die Profile, sondern die Menschen dahinter. Mit all ihren unterschlagenen Fehlern.

Und so werde ich die Sache auch angehen: Bloß nicht zu ernst. Und nicht zu lange. Lasst euch nur nicht klein machen von Luftschlössern und Traumkulissen. Das klingt banal und allseits bekannt. Aber wenn ihr euch doch mal erdrückt und einsam fühlt, lacht einfach mal mit den Leuten oder auch über sie, wenn ihr sie gut kennt. Es ist ein Maskenball, nichts weiter.

Denn: Keiner ist doch besser oder cooler als sein Profil. Wir alle – mich jetzt eingeschlossen – schicken hier auf Hochglanz polierte Bewerbungsschreiben für ein gesünderes Ego. Das sollte doch eine lustige Sause sein, keine seriöse, einschüchternde Angelegenheit, oder?
Und jetzt müsst ihr mich entschuldigen, denn ich bin etwas angefressen. Aber ich weiß auch schon genau, was mich aufheitern wird: Zwei Minuten Karussell fahren mit der richtigen Zirkus-App.

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