Einspruch am Altar

Ja, das ist wohl unbestreitbar: Amerika bzw. die USA haben unsere westliche Kulturlandschaft während der letzten 50 Jahre maßgeblich beeinflusst. Ich selbst muss daran auch an vermeintlich harmloseren Anlässen immer wieder denken. Denn nach über 20 Jahren bin ich natürlich ebenso kulturell mitgeprägt durch Action-Figuren, MTV und Hollywood. Und passend zum Valentinstag will ich mich in diesem Sinne hier auch einem besonderen Beispiel widmen. Denn die kulturell-amerikanische Prägung geht gar soweit, dass wenn ich einer Einladung zu hohen Hochzeitsfeierlichkeiten folge, ich nach all den amerikanischen Kitschfilmen genau 2 Dinge in der Kirche erwarte:

  • Wenn die Braut erscheint und den Gang hinunter zum Altar schreitet, ertönt der „Hochzeitsmarsch“, entweder der von F. Mendelsson-Bartholdy oder der von Richard Wagner
  • Wenn der Priester die Trauung vollzieht, kommt der Satz: „…so möge er jetzt sprechen oder für immer schweigen…“. Und irgendwie erwarte ich hier auch, dass in diesem Moment das Kirchenportal auffliegt und irgendein verzweifelter Romeo die Szene seines Lebens hinlegt

 

Ich denke, den Hochzeitsmarsch gibt es sogar auf den meisten Hochzeiten; ein Klischee ist eben nicht ohne Grund ein Klischee. Aber die Szene vom Einspruch in letzter Minute, der Einspruch vorm Altar? Das verdient eine etwas tiefergehende Recherche…

 

Anscheinend gab es in diesem Sinne früher einen Aushang in der Kirche, „das Aufgebot“.

Ich gehe nicht mehr allzu oft in die Kirche, daher kann ich nicht bestätigen, ob das immer noch existiert. Es ging dabei um eine bevorstehende Hochzeit. Zu Hochzeiten gehe ich natürlich gerne, auch in die Kirche; das sind immer die besten Partys. Allerdings hängt am Tage der Trauung „das Aufgebot“ schon nicht mehr aus; d. h. das vorher erwähnte bleibt weiterhin bestehen: ich kann nicht bestätigen ob es das immer noch existiert.

Bei diesem Aushang handelt es sich um die Bekanntmachung der Hochzeit, also wer mit wem und wann. Das steht soweit auf den mir zugesendeten Einladungskarten auch noch drauf. Hier aber das interessante daran: „das Aufgebot“ – ich setze von nun an nur das Nomen in die Anführungszeichen; das klingt mir sonst wie eine Schülerpunk-Band aus dem Osten… Also – das „Aufgebot“ enthielt neben den Informationen wer mit wem hauptsächlich einen freien Platz um Einspruch einzulegen und Gründe anzugeben, warum die Ehe dieses Brautpaares nicht vollzogen werden dürfe. Das mussten selbstverständlich triftige Gründe sein; „Aber sie liebt doch nur mich“ würde also nicht durchgehen; „Sie ist schon mit mir verheiratet und ich leg nicht nochmal 10 Hektar dafür hin“ schon eher.

In Zeiten, in denen keiner mehr die Kirche wirklich ernst nimmt bzw. keiner mehr Angst vor der Institution an sich hat und sowieso keinem mehr irgendwas peinlich ist, kann ich gut verstehen dass ein solcher Aushang wohl nicht mehr öffentlich stattfindet. Obwohl da bestimmt ein paar witzige Sachen draufstehen würden…
Einspruch per Anschlag am Kirchentor ist also nicht mehr; das gibt’s wohl nur noch in Geschichtsbüchern und Historienromanen; aber was ist vorm Altar? Hat das schon mal wer erlebt? Oder gibt’s das nur in amerikanischen Filmen? „…so möge er jetzt sprechen oder für immer schweigen!“ – Klassiker, in jedem guten Hollywood-Hochzeitsfilm drin; und da gibt’s ein paar echte Juwelen…hier eine kurze ausgewählte Liste von Filmen mit Szenen in welchem vor dem Altar während der Hochzeit Einspruch erhoben wird (geordnet nach steigender Intensität des Einspruchs):

 

3.) Verliebt in die Braut (Maid of Honor, 2008)

2.) Die Reifeprüfung ( The Graduate, 1967)

1.) Kill Bill (2003/2004)

 

Zugegeben, ich hab bei Weitem nicht alle Hochzeits-Hollywood-Klassiker gesehen, mir fehlen da noch ein paar echte Meilensteine; und wenn jemand eine Empfehlung für mich hat und die Liste ergänzen will, bitte gerne…aber ich denke, über Kill Bill auf Platz 1.) der intensivsten Einprüche vor dem Traualtar wird sich wohl niemand mit mir streiten wollen…(der Typ wartet schließlich nicht mal bis er dran ist…)
Und ich meine, hey, früher (weit früher als 2003/2004) gings bei Hochzeiten deutlich anders zu. Der Terminus des „Best Man“ (Trauzeuge im anglo-amerikanischen Sprachraum) rührt anscheinend daher, dass im damaligen Schottland (und ich weiß nicht in wie weit sich das heutige Schottland davon unterscheidet – vielleicht könntest du hier eine aktuelle Berichterstattung liefern, Bruder?) die Braut meist auf direktem Weg mit dem Schwert vor den Traualtar gebracht wurde; und demjenigen, der sich bei dieser Unternehmung als der Tapferste an der Seite des zukünftigen Bräutigams erwies, dem „besten Mann“, wurde hiernach die Ehre zu Teil, zur Linken des Bräutigams zu stehen.

Der Umstand, dass jemand der Tapferste ist und trotzdem nicht den Hauptgewinn, die Prinzessin, bekommt bzw. nur zuschauen darf, zeigt wie unfair es damals zuging. Mal ganz abgesehen davon, dass dem Hauptgewinn selbst auch wenig Mitspracherecht eingeräumt wurde.
Da war so eine Hochzeit natürlich eine spannende Sache; der „Best Man“ steht nämlich traditionell auch darum auf der linken Seite des Bräutigams, weil der die rechte Hand eventuell im Verlauf der Zeremonie noch fürs Schwert brauchte. Um die Braut gegen eine Rückeroberung zu verteidigen.

Der Adel hatte dabei allerdings einen (historisch umstrittenen und nicht eindeutig belegten) Freifahrtsschein: “le droit du seigneur”, “jus primae noctis“, „das Recht der ersten Nacht“. Wenn dir also eine Braut gefiel und deine Opas die Nummer mit dem Schwert schon über die vorangegangenen Jahrhunderte klar gemacht hatten, konntest du also einfach reinmarschieren und die Lady mitnehmen. Dem wurde im Orient versucht dadurch entgegen zu wirken, dass man der Braut kurzerhand die Augenbrauen vor der Hochzeit abrasierte – galten (und gelten?) doch die Augenbrauen einer Frau als besonders verführerisch und damit konnte die Braut keinem anderen mehr schöne Augen machen. Da hat dann wohl auch der Lord gepasst. Die Braut musste ein Tuch drüber werfen; die Hochzeitsfotos waren im Arsch. Keine schöne Zeit. Finsteres Mittelalter.
Nach jahrhundertelangen Keilereien, Revolutionen und der längst überfälligen Emanzipation der Frau sehen Hochzeiten heute Gott sei`s Gedankt anders aus. Wie gesagt, die besten Parties auf denen ich je war. Obwohl ich es natürlich spannend fände, wenn die Kirchentür auffliegt und jemand „Einspruch!“ durch den Kirchengang hinunter ruft. Das endet möglicherweise in einer Schlägerei vor dem Altar, und so was ist doch immer spaßig; so was sehen wir doch alle gern.

Allerdings nur wenn es sich um zwei Idioten handelt die ich sowieso beide nicht leiden kann. Und dann ist die Frage: Wie oft wird man zu Hochzeiten eingeladen von Leuten die man absolut nicht leiden kann? Bzw. wie oft geht man zu so einer Hochzeit auch hin? Das kommt eigentlich nur im Kreis der Familie vor, die kann man sich schließlich nicht aussuchen. Und wen die sich aussuchen, noch weniger. Wenn`s aber da zu einer Altar-Schlägerei kommt, kannst du wiederum nicht einfach ruhig sitzen bleiben, zurücklehnen und das Spektakel genießen; da gebietet es dann die Familienehre, dass du mitmachst. Auch anstrengend. Und nur weil alle Anzüge tragen, wird’s noch lange keine James-Bond-Choreo. Haare ziehen, Beißen, Kratzen wohl eher. Nicht gut fürs Sakko.
Daher ist es wohl besser wenn es bei heutigen Hochzeiten gesittet zugeht. Feierlich, mit guter Stimmung. Und den Spruch des Pfarrers („so möge er jetzt sprechen…“) gibt es wohl meist schon gar nicht mehr; oft wird er ganz weggelassen; schließlich sind alle triftigen Gründe die gegen eine Hochzeit sprechen würden, schon längst vor der eigentlichen kirchlichen Trauzeremonie aus dem Weg geräumt. Standesamtlich. Juristisch. Weihwasserdicht.

Da kommt es höchstens mal zu kleineren Ungereimtheiten: Albert Muldoon stellte sich bei einer Hochzeit im Jahre 1920 neben den Bräutigam vor den Altar, schließlich war er der designierte Trauzeuge. Allerdings stand er auf der falschen Seite. Der Priester fing an ihm Fragen zu stellen; er hat sie brav beantwortet. Und, schwupp-die-wupps, war er mit der Braut verheiratet. Wenn die Geschichte stimmt, war Mr. Albert Muldoon an dem Tag mal wirklich der „Best Man“. Schließlich hat er die Lady gekriegt. Und die verdient als Braut am schönsten Tag ihres Lebens doch schließlich nur das Beste.

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